Warum kein Journalist Twitter ignorieren darf

In meinem Freundeskreis stoße ich immer noch und immer wieder auf große Skepsis, wenn ich mich als Twitter-User zu erkennen gebe. Das ist nicht weiter verwunderlich, bei Handy, Internet-Zugang via ISDN- und später DSL-Anschluss, WLAN, Xing, Facebook usw. waren zuerst auch die Zweifler in der Mehrheit – heute haben/benutzen alle diese Geräte, Technologien oder Plattformen.

Twitter hat – anders als Facebook – die kritische Masse aber noch nicht überschritten (es gibt in Deutschland nur knapp 300 000 aktive Twitter-User), auch nicht unter den mir bekannten Journalisten. Warum aber gerade diese sich schnellstens mit diesem neuen Nachrichtenmedium (denn nichts anderes ist Twitter) anfreunden sollten, erklärt Dirk von Gehlen, der Redaktionsleiter von jetzt.de, ebendort in dem Artikel „Sie werden diesen Prozess nicht stoppen„. Ein Auszug:

„Denn während es in Deutschland zur Banalität der Twitter-Nutzer, die peinliche Banalitäten verbreiten (sogenannte Oversharer), medienphilosophische Debatten gab, hat sich der Dienst auf einer dritten Ebene (neben der Leitfrage und der jetzt erweiterten Technik) verändert: Dadurch, dass zahlreiche bekannte Menschen, die etwas zu sagen haben (Journalisten, Wissenschaftler, Musiker und auch Stars und Sternchen) Twitter nutzen, um relevante kurze Hinweise zu verbreiten, hat sich ein eigenes Twitter-Universum entwickelt, das mit den belanglosen Alltagsbefindlichkeiten der Oversharer wenig gemein hat. Viele Menschen nutzen den Dienst also mittlerweile nur lesend wie eine kostenfreie Presseschau, die sie auf ihre individuellen Interessen zuschneiden.“

Auf den Punkt gebracht

Der US-Journalist Christopher R. Weingarten über die Situation der Musikkritik in Zeiten von Twitter und sein eigenes Twitter-Projekt 1000TimesYes, für das er in diesem Jahr 1000 Alben rezensiert hat. Außerdem erläutert er, was ihm an dem Mikroblogging-Dienst alles nicht passt. Sehr unterhaltsam.

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Facebook vs. MySpace vs. Twitter

Cody Brown analysiert auf seinem Blog unter der Headline „MySpace is to Facebook as Twitter is to ____“ (in die Leerstelle vielleicht gleich mal Google Wave einsetzen?) die Stärken und Schwächen der genannten Companies und arbeitet dabei einige interessante Thesen heraus, die veranschaulichen, warum MySpace ums Überleben kämpft, Twitter das neue Detroit werden könnte und Facebook wahrscheinlich als Sieger den Platz – eben nicht – verlassen wird.

Thanks Lukas.

Next Überschätztes Thing

Dieser Tage darf in keinem Artikel über ein wichtiges Ereignis der Hinweis darauf fehlen, dass via Twitter schneller/pietätloser/informativer/unsinniger/you name it berichtet wurde. Man könnte also meinen, dass diese verknappten Nachrichtchen mittlerweile von etlichen bis unzähligen Deutschen genutzt werden. Von jedem zehnten bis hundertsten vielleicht. Oder wenigstens jedem tausendsten. Nein, laut einer aktuellen Studie gehören gerade einmal etwa 22 500 „Autoren“ zum Kreis der aktiven deutschsprachigen Twitter-User. Klar, die Zahl wird recht schnell größer werden, aber man sollte bei aller Begeisterung über das neue Tool auch die Grenzen von Twitter sehen. Zwei völlig unterschiedliche Beiträge, die diese Woche erschienen sind, bringen die Stärken und Schwächen prima auf den Punkt. Gewohnt pointiert Zeit-Kolumnist Harald Martenstein:

„Wenn ich wollte, könnte ich ununterbrochen mithilfe moderner Maschinen kommunizieren und Menschen, die ich kaum kenne, inhaltsarme Minitexte senden. Ich brauche aber hin und wieder Zeit zum Nachdenken, ich lese auch ganz gerne mal einen längeren Text. Dazu muss ich mich konzentrieren, ich kann nicht gleichzeitig simsen.“

Und der Herr Prof. Christoph Neuberger bemerkt im Interview mit dem Tagesspiegel sehr treffend:

„Im Rennen, unbedingt Erster bei der Nutzung eines neuen Formats sein zu wollen, lassen sich viele Journalisten leider mitreißen, ohne zu reflektieren, ob es ein geeignetes Format für ihre Arbeit ist. Twitter wird hinsichtlich seiner publizistischen Bedeutung grandios überschätzt, denn die Reichweite ist im Vergleich zu der von Zeitungen gering, mehr als Häppchenjournalismus ist nicht möglich.“

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