Face Detection Device

Face Detection Device

Die zehnte Ausgabe der Hamburger Zeitschrift Pareidolia (alle Ausgaben bitte hier online lesen) ist kein Printprodukt, sondern war eine Ausstellung. Organisiert von Pareidolia-Herausgeber Tim Reuscher, unterstützt von den Hamburger Kunstnomaden des Frappant e. V., die zur Zeit in der Viktoria-Kaserne in Altona untergekommen sind. Und so bespielte die Pareidolia-Posse am vergangenen Wochenende alle drei Frappant-Ausstellungsräume.

In der Ausstellung wurden natürlich die bisher erschienenen Ausgaben der Zeitschrift vorgestellt. Außerdem sollten „die beteiligten Künstler Raum bekommen, um ihre Arbeiten auch außerhalb der Beschränkungen des Mediums Zeitschrift präsentieren zu können.“ (Zitat aus der Pressemitteilung, die ich selbst verfasst habe)

So auch ich.

Das ungestalte Ding in dem Foto zeigt mein Exponat. Was aussieht wie ein alter abgeranzter Kühlschrank, ist eigentlich ein Face Detection Device.

Wozu das? Nun, Pareidolie ist ein weit verbreitetes Phänomen: Unser Gehirn neigt dazu, in amorphen Strukturen (Wolken, Felsformationen, Rauchschwaden usw.) bekannte Muster (wie etwa Gesichter) zu finden. Man kann sich also nie ganz sicher sein, ob diese Wesen, die einen umgeben, auch wirklich Menschen sind. Vielleicht gaukelt Dir Dein Gehirn ja nur was vor? Mein Face Detection Device dient zur Authentifizierung von Personen. Dieser Prototyp verwendet diverse Techniken, um menschliche Gesichter zweifelsfrei zu identifizieren. Nach dem Öffnen der Frontklappe erkennt das System innerhalb von Sekundenbruchteilen, ob sich ein Mensch im Messfeld befindet. Wenn die Lampe im Kühlschrank Face Detection Device aufleuchtet, wurde das Objekt im Messfeld als Mensch erkannt. Hat bisher in 100 Prozent aller Fälle zum richtigen Ergebnis geführt. Sollte ich mir vielleicht patentieren lassen.

Vorfreude

Drüben bei den lustigen Hamburgern von Hanseplatte gibt es den wahrscheinlich besten, weil raffiniertesten (Tabellen für jeden Vorrundenspieltag!) WM-Spielplan zu kaufen. Ausgedacht und handgemalt von DJ DSL:

Falls noch nicht geschehen, solltest Du übrigens unbedingt den Newsletter des Hanseplatte-Shops abonnieren. Der ist immer für ein bis drei Lacher gut.

Caribou – Swim

Hat Dan Snaith die komplette Musikjournaille bestochen? Die Kritiker sind sich einig wie schon lange nicht mehr. Wenn es darum geht, Caribous neues Album „Swim“ zu beschreiben, hat die Meinungsvielfalt ein Ende:

„It’s a triumph… the best new record this year“ **** Mojo
„A Stroke of genius.. Sure to send anyone into a miraculous state of euphoria“ 4.5/5 The Fly
„As mesmerising as it is innovative“ **** Q
„Astounding“ 10/10, Loud & Quiet
„A genuine pioneer“ ARTROCKER

Da hört man dann doch mal genauer hin. Was zuerst auffällt: Echte Hits fehlen. Dafür verstecken sich in den polyrhythmischen Konstrukten etliche poppige Momente. Um vertrackte psychedelische Beat-Monster schlingen sich pulsierende Flächen, verführerisch süßer Gesang, schiefes Geflöte und gerne noch weiteres Geklöppel und Geklingel. Das ist natürlich interessant für alle, die sich mit zu Offensichtlichem schnell langweilen, also alle Kritiker, die schon von Berufs wegen immer auf der Suche nach Neuem, Aufregendem sind. Musik, die Sehnsüchte weckt. Ein Album für alle, die sich nicht mit dem Nahe liegenden zufrieden geben, sondern lieber noch mal nachschauen, was hinter der nächsten Ecke, nach dem kurzen Glück einer langen Nacht oder auf einer anderen Bewusstseinsebene noch alles passieren könnte. Um es auf eine griffige Formel zu bringen: „Swim“ klingt wie die Kings of Convenience (nicht The Whitest Boy Alive!) unter LSD-Einfluss auf Ibiza. Wer sucht, findet Überschneidungen mit Hot Chip (bevor sie so klebrig poppig geworden sind), Delphic, Antony Hegarty oder Joanna Newsom. Ein Album für den verspulten Sommernachts-Rave oder das Magic-Mushroom-Candlelight-Dinner. Ein hedonistisches Verweilen im und genussvolles Auskosten des Augenblicks, Club-Musik für das kleine Kammerorchester mit allerlei Instrumenten aus dem Kinderzimmer. Tatsächlich eines der interessantesten Alben des Jahres. Gleich mal reinhören, ne:

Swim by Caribouband

Und diese Konzerte besser nicht verpassen:

27.04. München, Feierwerk
28.04. Berlin, Berghain
29.04. Hamburg, Prinzenbar

Eine kleine Heftkritik

Der Bunkverlag war mit seinem U_mag nicht mehr zufrieden. Die Hamburger hatten nicht nur so ein kleines Problemchen mit dem Layout oder den Inhalten, das man redaktions- oder wenigstens verlagsintern hätte hinbiegen können. Nein, „Das Magazin der Popkultur und Gegenwart“ (so der bisherige etwas bemühte und gleichzeitig recht sinnlose Untertitel, der zum Glück gestrichen wurde) war offenbar in solch eine Krise geraten, dass Jung von Matt/Elbe das Heft komplett umkrempeln durfte/musste.

Doch wie merkt der potenzielle Leser denn überhaupt, dass aus dem U_mag jetzt ein uMag geworden ist? Ein Teil der PR-Kampagne setzt auf die publizistische Macht der – gibt es eigentlich ein anderes Wort dafür? – Blogosphäre. Die Pressebeauftragte des Verlags lud mehr oder wenig sorgfältig ausgewählte Blogger ein, sich mit dem neuen Heft auseinander zu setzen. Jeder Blogger bekommt ein Pre-Relaunch-Heft und die neu eingekleidete Ausgabe, vergleicht, bewertet, analysiert und polemisiert. Im Gegenzug stellt das uMag auf seiner Website die teilnehmenden Blogs vor. PR gegen PR, eine Hand wäscht die andere. Da mir aber dadurch keinerlei Vorteile entstehen und das Anschreiben sehr freundlich formuliert war, habe ich mich mal darauf eingelassen. Also los:

Jung von Matt hatten viel zu tun, konnten gleichzeitig aber nicht viel falsch machen, denn vor dem Relaunch war: Das Layout viel zu brav, das Logo voll 90’s, liefen alle langen Storys in zweispaltigem Blocksatz durch. Weit und breit keine Elemente, an denen das Auge hängen bleibt, nur dröge Zwischenüberschriften und biedere Bildchen. Keine Illus, die Fotos dann auch noch in ein strenges Raster gequetscht – das mag zwar effizient sein, sieht aber nicht gut aus und fesselt den Leser keine zwei Minuten. Nicht mal der Inhalt konnte überzeugen: Die in der 01 + 02/2010 gefeatureten Musikstorys – da bin ich so gut informiert, dass ich mir ein Urteil erlaube – waren zwar okay, aber letztendlich nur die großen Konsensthemen für den Indie-Mainstream: Adam Green, Tocotronic, Vampire Weekend. Wie in der Januar/Februar-Ausgabe jeder anderen Musik-, Frauen- oder Lifestyle-Zeitschrift. Immerhin größtenteils gut geschrieben. Aber Tocotronic sprechen ja auch in Headlines. Etwas origineller dafür die Auswahl der CDs im Rezensionsteil: Einige der Alben (30 Seconds To Mars, Devendra Banhart, The Rumble Strips) hätten ein bis drei Monate früher besprochen werden müssen. Aktualität scheint hier nicht oberste Priorität zu haben.

Insgesamt fehlte dem Mag ein ausreichend scharfes Profil. Wo waren die überraschenden Entdeckungen, der eigene Blickwinkel, die interessanten Persönlichkeiten? Eine Story über Künstler, die Häuser besetzen, half da auch nicht weiter. Schnell weg damit und das neue Heft zur Hand nehmen.

Etwas kleineres Format, deutlich dicker (bei ähnlicher Seitenzahl) und 80 Cent teurer (3,30 statt 2,50 Euro) – ob das Konzept aufgeht? Neu ist das riesengroße Logo. Ob sich die Redaktion darüber nicht bald ärgern wird? Dieses umrandete U ist zu dominant und wird viele schöne Bildmotive unsanft zerhauen. Die Headline ist leider absolut nichtssagend, die Blood Red Shoes eigentlich ein nettes Thema, als Aufmacher aber nicht populär genug und somit eine Fehlbesetzung. Was sonst noch im Heft passiert, erfährt man nur, wenn man eine Lupe zur Hand nimmt. Nebenbei noch ein Tipp, den mir mal ein alter Vertriebshaudegen von Gruner + Jahr gegeben hat: Den Titel nach Möglichkeit so gestalten, dass oben links ein paar wichtige Informationen zu sehen sind, denn der Rest des Covers ist verdeckt, wenn das Heft im Kioskregal steht. Diese Vorgabe wird hier nicht so ganz erfüllt…

Der Umschlag wirkt wertiger als bisher, das graue Papier im Recycling-Style soll wahrscheinlich Nachhaltigkeit vermitteln, sorgt aber auch dafür, dass die Fotos teilweise ziemlich absumpfen. Optisch passiert deutlich mehr. Hier hat die Agentur einen guten Job gemacht, wenn auch hier und da noch etwas nachjustiert werden muss: Manche Seiten wirken überladen, anderen gehen zu verschwenderisch mit der Fläche um. Eine Bitte an die Redakteure: Der Grafik nie freie Hand lassen. Einer muss dem Art Director immer über die Schulter schauen und um jeden Quadratmillimeter Text kämpfen. Martenstein hat das Problem in einer seiner Kolumnen vor ein paar Jahren ziemlich treffend beschrieben.

Der Themenmix ist diesmal deutlich besser gelungen. Die Ausrichtung auf Personen oder „Protagonisten der jungen Szene und Alternativkultur“ (so steht es im Konzept zum Relaunch) gefällt mir gut. Macht zwar mittlerweile auch jeder. Wenn man die richtigen People entdeckt, kann man trotzdem zum Lesen animieren. Mehr kurze Features auf der einen Seite, lange Interviews auf der anderen Seite und generell mehr Meinung – das ist die richtige Richtung. Auch wenn eine Monatszeitschrift den Online-Magazinen und der Tagespresse leider immer ein paar Wochen hinterher hinkt. Die Househunting/Nudes-Fotostrecke hat in der – gibt es echt kein anderes Wort dafür? – Blogosphäre schon lange ihre Runden gedreht. Krawallbruder Patrick Mohr hat mit seinem Auftritt auf der Berliner Fashion Week Mitte/Ende Januar viel Aufmerksamkeit bekommen.

Was aber nicht geht: Die Schrift der BUs bzw. zweiten Infoebene ist entschieden zu klein. Ist das 4 p?!

Fazit: Well done. Der Relaunch war aber auch lange überfällig. Ein ganz grundsätzliches Problem ist und bleibt, dass die Zielgruppe („20 bis 39 {…}: Großstädter, lässig, gebildet, szenig und meinungsstark.“) vielleicht lieber online bleibt, Infos über die Blood Red Shoes usw. kostenlos im Feed Reader liest und die 3,30 Euro lieber für zwei bis drei neue Apps ausgibt. Das betrifft jedoch nicht nur das uMag sondern außer Auflagenwundern wie Neon oder LandLust auch alle anderen Zeitschriften. Um für die Zukunft etwas besser gerüstet zu sein, sollte die Website baldmöglichst eine ähnliche Runderneuerung erfahren wie das Heft. Sonst ist die Zielgruppe bald über alle virtuellen Berge.

Ein Leben für den Pop

Takashi Murakami x Kanye West Bear Toy@Hamburger Kunsthalle 2010

Credit: Takashi Murakami

Gerade erst eröffnet: Die PopArt-Ausstellung „PopLife“ in Hamburg. Neben Obszönitäten von Koons, Eitelkeiten von Kippenberger, dem obligatorischen Warhol, ein bisschen Blingbling von Hirst oder Altbackenem von Haring geht Takashi Murakami am derbsten ab. Sein für Kanye West entworfenes shiny Bärchen – und alles andere natürlich auch – ist noch bis zum 9. Mai in der Kunsthalle zu sehen. Genauer: In der Galerie der Gegenwart. Man kann aber auch vom Hauptbahnhof kommend direkt zum Haupteingang rein und sich durch den gesamten Gebäudekomplex durchschlängeln, vorbei an den Alten Meistern, der Ausstellung zur Klassischen Moderne usw. Wenn man es eilig hat und sich nicht verläuft, dauert das keine zehn Minuten. Außerdem ist es trocken und warm und man sieht auch mal die ruhigen Ecken der Kunsthalle. Sollte man doch mal die Orientierung verlieren, steht an jeder Ecke ein hilfsbereiter Angestellter und weiß, wie und wo es weitergeht. Auf dem Rahmen eines dieser übergroßen Ölgemälde, die da überall zusammen rumhängen, habe ich übrigens zwei bestens zur Jahreszeit passende Zeilen entdeckt:

„Heimlich unter dem Schnee keimt schon der zukuenftige Fruehling.

Troeste Dich, alterndes Haupt: Jeder Tod ist nur Schein.“

Na dann.

A Noughties Revival

Tim Boo Ba vs. Micha aka Michi

Am Mittwoch, den 10. 2. legen ab 21 Uhr Tim Boo Ba und Micha aka Michi (also ich) in der Meine Kleinraumdisko (Neuer Kamp 17, HH-St.Pauli nähe U-Feldstraße) Musik aus den 00er-Jahren auf. Die Gäste halten sich währenddessen an ihren Cocktail-Gläsern fest. Vorbei kommen und in Erinnerungen an noch gar nicht so lange zurückliegende Zeiten schwelgen!

Um Leute anzulocken kleistern manche ihre Flyer mit den Namen der Bands/Acts voll, die sie auflegen werden. So weiß jeder, was ihn erwartet. Ich habe heute auch schon mal eine kleine Vorauswahl getroffen. Da kommt allerdings noch einiges dazu.

Tim Boo Ba vs. Micha aka Michi

Tim Boo Ba vs. Michi aka Micha

Pareidolia 2 est arrivé

Pareidolia ist ein wunderbar weirdes Magazin mit Kurzgeschichten, Comics, Cut Ups und sonstigem Alarm. Die Printausgabe ist so rar, dass der VDZ schon überlegt hat, das kleine Heftchen auf die Rote Liste gefährdeter Arten zu setzen. Doch die noch junge Zeitschrift schlägt sich wacker: Gerade eben ist die zweite Ausgabe fertig geworden. Die Hefte liegen allerdings nur in ausgewählten Hamburger Hipster-Hangouts aus. Glücklicherweise denkt der freundliche und umsichtige Herausgeber auch an alle Interessierten außerhalb Hamburgs: Als PDF kann man sich Pareidolia 2 hier runterladen.