LoneLady – Nerve Up

Warum der Infotext versucht, Julie Campbell eine eigenartig toughe Street Credibility anzudichten, verstehe ich nicht. Man muss die junge Dame aus Manchester nicht in die Nähe „abgefuckter Bars“, „stinkender Kanäle“ oder „schmieriger Bordelle“ schreiben. Das hat sie mit diesem Debütalbum überhaupt nicht nötig.

Beim ersten Blick auf die rote Kurzhaarmähne könnte man für einen Sekundenbruchteil an La Rouxs Elly denken, erkennt dann aber schnell den Unterschied: Die burschikose LoneLady hat eben keine überstylte Tolle wie die glossy 80er-Plagiatorin, sondern präsentiert sich gekonnt unfrisiert. Und dieses unprätentiöse Auftreten schlägt sich auch in ihrer Musik nieder.

Nerve Up“ ist so ziemlich das Gegenteil von glossy. Eher das zickige No-Wave-Debüt, das ziemlich konsequent dem Minimalismus huldigt und sich die Kunst des Weglassens bei ESG abgekuckt hat. Also spröder, trockener (Punk-)Funk, von Drummer Andrew Cheetham mit nicht zu virtuosem Spiel versorgt. Doch mit ein paar Handclaps und etwas Klingeling entwickelt sich beinahe so etwas wie Indie-R&B. Wenn dann noch die Gitarren-Splitter, die Inspiral-Carpets-Gedächtnis-Orgel und manchmal die in Manchester wohl unvermeidliche Joy-Division-Schwere dazu kommen, kann man sich der Faszination dieses Kleinods kaum mehr entziehen. Was mich zuerst irritiert hat: Julie quäkt bisweilen wie Alanis Morissette oder Dolores O’Riordan von den Cranberries („Zombie“). Man kann auch – ich glaube, in der Spex hatte ich das gelesen – Parallelen zu Michael Stipe (R.E.M.) ziehen. Hat man sich aber erst einmal an die Stimme gewöhnt, erschließt sich einem ein Album, das in der Bugwelle von The XX surft, aber weniger Coolness zur Schau stellt, statt dessen ganz angenehmen Singer/Songwriter-Charakter aufweist und – wie schon erwähnt – in einer niedlich punkigen Weise bei R&B andockt.

(erscheint am 26. 2. via WARP/Rough Trade)

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